Interview
Interview mit Dr. Dipl.-Rest. J?rg Weber, Werkstattleiter an der Fachhochschule Potsdam

Dr. Dipl.-Rest. J?rg Weber ist Werkstattleiter in der Studienrichtung Konservierung und Restaurierung – Holz an der Fachhochschule Potsdam. Neben seiner verantwortungsvollen Position wurde er vor Kurzem erfolgreich promoviert – eine bemerkenswerte Leistung, die gro?es Engagement, Ausdauer und Leidenschaft für das Fachgebiet erfordert.
Im Interview berichtet er über seine Motivation zur Promotion, die Herausforderungen auf dem Weg zur Dissertation und darüber, wie sich der Beruf des Restaurators im Wandel der Zeit ver?ndert hat.
Lieber J?rg, herzlichen Glückwunsch zur Promotion! Kannst Du kurz zusammenfassen, worum es in Deiner Dissertation geht?
Tats?chliches Zedernholz war im 18. Jahrhundert in Berlin und Potsdam nur schwer zu erwerben. Trotzdem wird in den Raum- und Inventarbeschreibungen von Potsdamer und Berliner Schl?ssern aus der Zeit Friedrichs II. (1712-1786) immer wieder Zeder bei der Herstellung von Fu?b?den, Wandverkleidungen und Mobiliar angegeben. In der Dissertation werden die Trivial-, Handels- und wissenschaftlichen Namen untersucht, die sich hinter dem Namen ?Zeder“ oder auch ?Cedar“ verbergen. Die zu erwartende Vielfalt von sogenannten Zedernh?lzern wird auf die für das friderizianische Rokoko in Frage kommenden H?lzer begrenzt und Informationen zur jeweiligen Holzart zusammengetragen. Au?erdem werden Aspekte zur Geschichte des echten Zedernholzes aus dem Libanon (Cedrus libani L.) vom Altertum bis in die Neuzeit untersucht. Weiterhin wird die Verwendung und Bedeutung des Zedernholzes am Potsdamer Hof im 18. Jahrhundert unter Friedrich II erl?utert. Abschlie?end werden die Holzartenuntersuchungen an den friderizianischen Innenausstattungen in den Schl?ssern der Stiftung Preu?ische Schl?sser und G?rten Berlin/Brandenburg beschrieben, bevor die Arbeit mit einem überraschenden Resümee endet.
Was hat Dich motiviert, nach so vielen Jahren praktischer Arbeit als Restaurator und Werkstattleiter zu promovieren?
Nachdem ich im Jahr 2002 an der FH Potsdam als Werkstattleiter der Studienrichtung KuR-Holz angefangen habe, hat mich der Wunsch eine Promotion abzuschlie?en schnell gefunden. Die Suche nach einem geeigneten Thema gestaltete sich jedoch nicht so einfach. Meine Diplomarbeit sollte aber für mich noch nicht alles gewesen sein.
Wie hast Du Dein Thema für die Doktorarbeit ausgew?hlt? Gab es einen konkreten Ausl?ser oder ein Schlüsselerlebnis?
Zusammen mit meinem damaligen Kollegen Prof. Hans Michaelsen und vielen anderen Kolleg*innen arbeitete ich neben der Werkstattarbeit bis 2010 an dem Buch K?nigliches Parkett in preu?ischen Schl?ssern: Geschichte, Erhaltung und Restaurierung begehbarer Kunstwerke. Neben der Redaktionsarbeit verfasste ich den Artikel: Zeder? Nein Wacholder! Quellenstudien und Holzartenbestimmungen an Innenausstattungen Preu?ischer Schl?sser. Durch diese Vorarbeit hatte ich die Grundlage für das Thema der Dissertation erstellt.
Welche neuen Erkenntnisse konntest Du im Rahmen Deiner Forschung gewinnen – besonders im Hinblick auf die Konservierung von Holzobjekten?
Zun?chst habe ich die Erkenntnis gewonnen, dass Handels- und Trivialnamen der einzelnen Holzarten oft nicht ihrer wissenschaftlichen Benennung entsprechen. Vielmehr sollte sich niemand einfach auf Trivial-/Handelsnahmen verlassen, sonst wird es sehr schnell unwissenschaftlich. Das hat auch viel mit Holzhandel über die Jahrhunderte zu tun (ein nicht zu vernachl?ssigender Wirtschaftszweig) und ich halte es für eine wichtige Aufgabe, unseren Studierenden der Studienrichtung KuR-Holz M?glichkeiten und Techniken zu zeigen, Holzarten zu bestimmen, sich fundiert über Holznamen und die Verwendung von Holzarten für welche Holzobjekte zu informieren. Dieses Fach k?nnte noch ausgebaut werden.
Au?erdem ist mir bei meiner Promotion nochmal klar geworden, welchen reichhaltigen M?bel- und Ausstattungsschatz die Studierenden in den Potsdamer und Berliner Schl?ssern vorfinden k?nnen und welche Rolle die jeweiligen Herrscher, Ausstattungsarchitekten und vor allem die uns bekannten Tischler dabei spielten.
Welche Herausforderungen hast Du w?hrend Deiner Promotion erlebt – fachlich, organisatorisch oder pers?nlich?
Fachlich: ich habe ausgehend vom wissenschaftlich bekannten immer wieder Neuland betreten und viel dazu gelernt. Ich halte es für sehr wichtig, genau hinzuschauen und zu überprüfen sowie immer noch nach weiteren L?sungsm?glichkeiten zu suchen. Glücklicherweise haben mich meine Prüfer aber auch darauf hingewiesen, dass es dann jetzt auch mal reicht!
Organisatorisch: ich halte es für wichtig, m?glichst gut informiert zu sein, was die n?chsten organisatorischen Schritte w?hrend so eines umfangreichen Prozesses wie einer Promotion betrifft. Glücklicherweise konnte ich mich meistens auf die Informationen verlassen, die mir mein Erstprüfer zur Verfügung stellte.
Wichtig war für mich w?hrenddessen, die Werkstatt der Studienrichtung KuR-Holz, unsere Studierenden und das von 2020-2023 laufende Forschungsprojekt RWTec DeTox nicht aus den Augen verlieren.
Für die nebenberufliche Promotion musste ich trotzdem einiges andere ausblenden.
Pers?nlich: Eine Promotion w?hrend eines vollen Arbeitslebens zu absolvieren, hat mich oft an die Grenze des für mich Machbaren gebracht. Zum Glück ist alles (auch privates!) noch da …
Wie hast Du es geschafft, Deine Promotion mit Deiner T?tigkeit als Werkstattleiter an der FH Potsdam zu vereinbaren?
Zun?chst gar nicht. Sp?ter mit viel Disziplin, tollen und sehr selbst?ndigen Studierenden, einer tollen Kollegin (Prof. Dr. Angelika Rauch) und erfahrenen Kolleg:innen aus dem restauratorischen Umfeld, die mich mit viel Geduld unterstützt, korrigiert und auf andere L?sungsm?glichkeiten hingewiesen haben. Au?erdem hatte ich das Glück, dass mich meine beiden Prüfer sehr unterstützt haben.
Inwiefern flie?en die Ergebnisse Deiner Dissertation jetzt in Deine Lehre und Werkstattarbeit ein?
Ich kann nun noch genauer beurteilen, was die Studierenden bei ihren eigenen Abschlussarbeiten (ich betreue seit 2011 sowohl BA- als auch MA-Thesen) durchleben müssen, und kann sie w?hrend der Betreuung ihrer Thesen viel besser beraten.
Die Ergebnisse der Dissertation flie?en an vielen Stellen in meine Lehrveranstaltung zur Holzartenbestimmung ein. Hier versuche ich für die Studierenden den fachlichen Blick erheblich zu erweitern. Au?erdem kann ich bei der Werkstattarbeit besser vermitteln, dass es sich lohnt, genauer hinzuschauen und pr?zise zu arbeiten.
Hat sich durch die intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung Deine Sicht auf das Material Holz oder auf bestimmte konservatorische Methoden ver?ndert?
Die intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Material Holz hat mir Respekt vor seinem filigranen Aufbau und seiner Verwendung als Baumaterial eingefl??t. Au?erdem ist mir seine enge Verbindung zur Menschheitsgeschichte (Zedernholz ist schon um ca. 3000 v . Chr. bekannt und hier bereits ein Machtsymbol) durch die Jahrtausende klar geworden.
Als Werkstattleiter bist Du sehr nah an der praktischen Ausbildung. Wie wichtig ist für Dich die Verbindung von Theorie und Praxis in der Restaurierung?
Aus meiner Sicht l?sst sich die Theorie ohne Praxis nicht durchdringen. Sie ist dann eben gelernt, aber kann nicht auf ein Problem übertragen werden. Das ist jedoch wichtig um zu beurteilen, ob eine Ma?nahme am jeweiligen Objekt überhaupt funktioniert. Au?erdem verblasst die Theorie ohne Anwendung sehr schnell. Es w?re doch merkwürdig, wenn die Studierenden zwar theoretisch lernen, dass ein Material sehr schwer ist, also eine hohe Dichte hat, diese Eigenschaft jedoch nicht auf praktische T?tigkeiten wie tragen, hobeln, s?gen, verleimen etc. übertragen k?nnten.
Wenn dieses Material dann in einem Leistungsverzeichnis eines Auftraggebers auftaucht, bleibt es für die fertig studierten Auftragnehmer:innen unm?glich das Leistungsverzeichnis auszufüllen. Kurz: ohne praktische Erfahrungen k?nnen Restaurator:innen ihren Beruf nicht ausüben. Deshalb ist es mir wichtig, den Studierenden bei aller Theorie viele kleine und gro?e Praxiserfahrungen zu erm?glichen.
Ein Beispiel: Wenn ich auch lange darüber nachdenken kann, den Hemds?rmel überzustreifen, wird es doch bald kalt, wenn ich es nicht versuche oder tue.
Welche aktuellen Entwicklungen oder Trends beobachtest Du im Bereich der Holzkonservierung – technisch, methodisch oder auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit?
Es werden immer mehr moderne Methoden und Techniken für die Untersuchung, Konservierung und Restaurierung von Holzobjekten entwickelt: 3D-Scanning zur Herstellung von Rekonstruktionen, Holzfilamente als Ersatzmaterialien, Lasertechnik zur Reinigung von Beschichtungen etc. Im Studiengang verfügen wir über ein modernes 3D Mikroskop, das relativ mühelos eine Darstellung mikroskopischer Ph?nomene bis zu 360facher Vergr??erung erm?glicht, ohne dass eine Probe des Objektes unter ein feststehendes Mikroskop pr?pariert werden muss.
Zum Thema Nachhaltigkeit f?llt mir folgendes auf: eine Kommode bzw. ein Schrank aus dem 19. Jahrhundert kann mit relativ wenig Aufwand restauriert werden und l?sst sich dann für eine weitere lange Zeit als Aufbewahrungsm?bel nutzen. Nachhaltiger geht es wohl kaum. Von einem vermeintlich billigen Ikea-Schrank müssen wir uns hingegen meistens schon nach einem Umzug verabschieden.
Gibt es ein bestimmtes Objekt oder Projekt, das Dir im Laufe Deiner Karriere besonders in Erinnerung geblieben ist?
Natürlich mein Diplomobjekt (ein Bureau Mazarin/ Bureau mit acht Beinen) aus dem 17. Jahrhundert, dass sich in der Sammlung des Rijksmuseum Amsterdam befindet und dessen Schreibplatte ich in der dortigen Werkstatt restaurieren durfte. Die reich bebilderte Marketerie (Holzpuzzle auf Blindholz) geht sehr deutlich auf Kupferstiche von Jean Berain d. ?. (1640-1711) zurück, der für Ludwig XIV. arbeitete.
Des Weiteren bleiben mir viele Objekte aus der Kirche St. Nikolai in Stralsund in Erinnerung, die ich zweimal pro Jahr mit Studierenden w?hrend einer Restaurierungsexkursion besuche. Hier sind mir der Hauptaltar (um 1470), der Schlüteraltar (1708) sowie Objekte aus den von mir betreuten BA- und MA-Arbeiten besonders in Erinnerung (z.B. Ratsherrengestühl aus dem 17. Jh.).
Wie hat sich Deiner Meinung nach das Berufsbild des Restaurators in den letzten Jahren ver?ndert – und wohin geht die Entwicklung?
Das Berufsbild der Restaurator*innen ist professioneller und wissenschaftlicher geworden. Es wird vorsichtiger mit den Objekten umgegangen und der Schwerpunkt liegt mehr denn je auf der Erhaltung aller Schichten eines Objektes, immer im Abgleich mit den restaurierungsethischen Werten. Wenn wir eingreifen, k?nnen wir das erst nach der Ermittlung aller M?glichkeiten tun. Dazu müssen wir m?glichst viele Ma?nahmen, aus den F?chern pr?ventive Konservierung, historische Techniken und moderne Konservierungs-/Restaurierungsverfahren kennen und beherrschen.
Au?erdem sollten wir, wie überall, gut mit allen zusammenarbeiten, die mit so einem Objekt befasst sind. Hier hilft keine Ellenbogenmentalit?t. Am Ende leidet nur das Objekt.
Das sollten wir auch bei unserer Hauptaufgabe hier an der FH beachten. Wenn wir den Studierenden wirkliche Zusammenarbeit vorleben, werden auch sie das in ihre Praxis übernehmen.
Was würdest Du jungen Menschen raten, die eine Laufbahn in der Konservierung und Restaurierung einschlagen m?chten?
- Aus meiner Sicht sollten sie sich handwerklich gut ausbilden.
- Lust auf die verschiedenen Studienm?glichkeiten mitbringen.
- Lust Zusammenarbeit zu erlernen.
- Nie denken, dass sie jetzt alles wissen, sondern sich für die n?chste M?glichkeit offenhalten.
- Neues zu erlernen, flexibel bleiben.
- Wenn`s mal nicht weitergeht, Pause machen und einen neuen Versuch unternehmen.
- Immer optimistisch bleiben.
Und zum Schluss: Wie hast Du den Moment erlebt, als Du Deine Promotion abgeschlossen hattest? Was war Dein erster Gedanke?
Das Leben ist sch?n! Von einfach war nie die Rede …
Vielen Dank!
Das Interview führte Steffi Brune, Stabsstelle Presse und Wissenschaftskommunikation