Die Design-Alumna Yasmina Aust ist erfolgreiche Fotografin in ihrer Wahlheimat Potsdam, doch ihr Weg dahin war steinig. Man k?nnte auch sagen ?Wow, was f¨¹r eine Story!¡° Eine inspirierende Gr¨¹ndungsgeschichte, die Mut macht, seinen eigenen Instinkten zu trauen und davon erz?hlt, dass Soloselbstst?ndigkeit nicht automatisch bedeutet, auf Rat und Hilfe zu verzichten.
Wann hast du dich dazu entschieden, Fotografin zu werden?
Tats?chlich war es schon fr¨¹h mit 11 mein dringlichster Wunsch, sp?ter Fotodesign zu studieren. Am Ende habe ich tats?chlich Design studiert und nebenbei meine Selbstst?ndigkeit als Fotografin begonnen. Der Weg dahin war jedoch keinesfalls so einfach. Mein Vater hat damals viel Energie darauf verwendet, mir diese Idee, f¨¹r die ich komplett brannte, mit zum Teil sehr verletzenden Kommentaren auszureden. Nat¨¹rlich sind die Eltern gro?e Bezugspersonen und so habe ich mich seinem Urteil letztendlich gebeugt und diese Zukunftsvision begraben.
Nach einer Ausbildung als Marketingkommunikationskauffrau, war ich viele Jahre erstmal ganz sch?n ziellos und habe in wirklich allen m?glichen Bereichen gearbeitet: Von Empfangsdame, ¨¹ber Schuh- und Schmuckverk?uferin, bis Promotiongirl, die an Leute Flyer verteilt, die keine Flyer m?chten oder Captain Morgan in sch?bigen Diskotheken promotet. Erst der recht schicksalshafte Beginn meines Studiums an der Fachhochschule Potsdam gab meinem Leben eine erste wage Struktur. Schicksalshaft deswegen, weil ich durch meinen damaligen Abiabbruch eigentlich h?tte gar nicht studieren d¨¹rfen. Dennoch bl?tterte ich in einem Anflug von Langeweile eines Tages in einem Buch ?Studieren von A-Z¡° vom Arbeitsamt und traf auf diesen Studiengang und f¨¹hlte mich wie vom Blitz getroffen. Als ich dann noch erfuhr, dass man durchaus mit besonderer Eignung studieren k?nnte, war mein Ehrgeiz absolut geweckt und am Ende konnte ich mich tats?chlich unter den Bewerber*innen behaupten.
Um mein Baf?g etwas aufzustocken, arbeitete ich an der Kasse einer Drogerie und war dort absolut ungl¨¹cklich. Zudem starb mein erster eigener Hund, den ich damals bereits im hohen Alter aus dem Tierheim holte. So suchte ich nach L?sungen, mein Leben lebenswerter zu machen. Also bot ich bei Ebay Kleinanzeigen einen Gassigehservice an und lud ein Foto meines verstorbenen Hundes hoch. Direkt am zweiten Tag wurde ich gefragt, wer das Foto geschossen hatte. Wenig sp?ter hatte ich dank immenser ?berzeugungsarbeit seinerseits mein erstes Shooting f¨¹r 50 €. Mein Kunde erkannte mein Talent und blieb dran: ?Mach eine Facebook Seite und lad da f¨¹nf Fotos von dir hoch. Dann wirst du sehen¡¡° Seine Worte sollten Recht behalten und so folgte ein beinahe absurder Raketenstart, bei dem ich quasi ¨¹ber Nacht ¨¹berrannt wurde. Nach drei Wochen k¨¹ndigte ich meinen Nebenjob an der Kasse, stampfte Visitenkarten und Website aus dem Boden und war nur noch mit meiner Kamera auf Achse.
Diesem Menschen habe ich im Prinzip alles zu verdanken und ich habe ihm unter Tr?nen einen Dankesbrief vorgelesen. Er hat jederzeit Zugang zu kostenlosen Fotos, was er bescheidener Weise in all den Jahren noch nicht ein einziges Mal in Anspruch genommen hat.
Professionelle Fotografie ist ein hart umk?mpfter Markt ¨C wie sehr sp¨¹rst du die Konkurrenz?
In meiner Anf?ngerphase lernte ich eine Fotografin kennen, die mich als Freundin viel an die Hand nahm und mir einige wertvolle Tipps rund um die Fotografie gab. Zugegeben, ich war extrem skeptisch und mir nicht sicher, wie richtig das alles ist, was sie mir sagt, und bef¨¹rchtete gar, dass sie mich am Ende nur aufs Ohr hauen wird. Mit der Zeit merkte ich jedoch, dass alles so seine Richtigkeit hatte und so lernte ich nicht nur diese Dinge, sondern viel ¨¹ber wertvolle Zwischenmenschlichkeit und die Kraft gegenseitiger Unterst¨¹tzung. Ich wei? mittlerweile, dass man zusammen viel mehr erreichen kann als im Alleingang. So ist man immer im Austausch und lernt voneinander. Auch springt vielleicht mal ein*e Kolleg*in spontan f¨¹r dich ein, wenn du krank bist oder hilft dir bei technischen Fragen.
Des Weiteren ist Fotografie ja nicht gleich Fotografie. Jedes Foto, was jemals geschossen wurde, ist auch immer ein Einblick in die Seele, in die Vergangenheit, Sehns¨¹chte, ?ngste und St?rken des/der Fotografierenden. Du k?nntest das gleiche Setting zur gleichen Tages- und Jahreszeit mit den absolut gleichen Menschen und Momenten haben und dennoch w¨¹rden immer ganz andere Fotos dabei entstehen. Weil jede*r die Dinge anders sieht und anders einf?ngt. Daher hat jede*r einen ganz eigenen Kund*innenstamm und keine*r kommt sich gro?artig in die Quere. Zudem gibt es meiner Meinung dank Social Media und Co. eine enorm hohe Nachfrage. So muss kein Talent am Ende leer ausgehen. Diese Einstellung und mein Knowhow gebe ich gerne weiter und daher ist das Veranstalten von Workshops und Coachings f¨¹r junge Neu-Fotograf*innen eines der Dinge, die ich gerade sehr h?ufig mache. Diese T¨¹r h?tte sich mir nie ge?ffnet, w¨¹rde ich die Angelegenheit unter Konkurrenz verbuchen. Good for me - good for them.
Was glaubst du, macht gerade dich so erfolgreich?
Ich denke, was mich so erfolgreich macht, ist vorrangig mein enormer Ehrgeiz, der aus meiner Vergangenheitsgeschichte resultiert. Jedes Shooting, jedes dankbare Kund*innenfeedback, was ich erhalte, heilt ein bisschen alte Wunden und best?rkt mich darin, dass mein Vater damals einfach nicht Recht hatte. Ich habe mich mittlerweile davon frei machen k?nnen, was andere von mir denken. Ich erkenne, sehe und empfinde meinen Wert und das ist wohl eins der ber¨¹hrendsten Dinge, was mir in den letzten Jahren passiert ist. Was auch immer jemand ¨¹ber mich sagt - ich wei? f¨¹r mich, dass ich immer versuche mein Bestes zu geben und nur das z?hlt mittlerweile f¨¹r mich.
Klar spielen auch meine Lebensumst?nde eine Rolle: Ich habe keinen Partner oder Familie und kann mich voll und ganz auf meinen Job konzentrieren. Dadurch habe ich nat¨¹rlich mehr M?glichkeiten, mich fest zu etablieren, als viele meiner Kolleg*innen, die f¨¹r noch so vieles andere im Leben zust?ndig sind.
Ein weiterer Punkt ist mein gro?es Bed¨¹rfnis nach Sicherheit. Sicherheit, die in der Selbstst?ndigkeit naturgem?? quasi nicht vorhanden ist. Da ich in ziemlich armen Verh?ltnissen gro? geworden bin, wei? ich finanzielle Sicherheit und Essen im K¨¹hlschrank sehr zu sch?tzen. Und dabei wei? man nie, wann es ?gen¨¹gend¡° Geld ist. Angesichts eines m?glichen Knochenbruchs, einer Krankheit oder der Rente am Ende und dazu parallel keine Familie oder Partner, die mich ggf. auffangen k?nnten, f¨¹hle ich mich stets rastlos und getrieben. Meine eigenen Grenzen zu respektieren, die ich beinahe zwanghaft ¨¹berschreite, muss ich noch dringend lernen. Aber alles ist im Prozess. Immer.
Neben diesen pragmatischen Fakten habe ich aber wohl auch ein ganz gutes Gef¨¹hl f¨¹r Menschen, Farben, Formen, Licht und Momente, was den Fotoergebnissen nat¨¹rlich zugute kommt.
Als Selbstst?ndige hast du also viel Verantwortung und wenig Zeit, trotzdem war das der einzig richtige Weg f¨¹r dich?
Das ist so, wie mit dem Kinderkriegen - man kann ja gar nicht wissen, wie es ist, bevor man nicht wirklich welche hat. Und so ist das auch mit der Selbstst?ndigkeit. Zudem war es ja kein wirklich bewusstes Entscheiden, sondern geradezu ein reingeschubst werden. Es ist eher eine vage Vorstellung. Man wird nie nachvollziehen k?nnen, wie man einfach im Kopf niemals Feierabend hat, wie man wochenlang die N?chte durchmachen muss, um nur mal f¨¹r ein paar Tage in den Urlaub zu fahren. Man ist eine komplett vollst?ndige Firma, mit all seinen diversen Abteilungen, in nur einer einzigen Person. Ich wei? nicht, ob ich das gemacht h?tte, wenn ich in diese Gef¨¹hlswelt einmal so ganz authentisch h?tte reinschnuppern k?nnen, aber ich kann auch ganz klar sagen: Was anderes kann ich mir einfach ¨¹berhaupt nicht mehr vorstellen und ich denke, ich werde mein ganzes Leben weiter selbstst?ndig sein. In welcher Form auch immer.
Du w¨¹rdest also nichts anders machen, wenn du die Zeit zur¨¹ckspulen k?nntest?
Definitiv: Nein! Am Ende war jedes auf-die-Nase fallen von gro?er Wichtigkeit f¨¹r das gro?e Ganze. Ich w?re nicht da, wo ich bin, wenn mich die Dinge nicht geschliffen h?tten. Auch wenn vieles nat¨¹rlich in dem Moment oft schmerzhaft oder teilweise einfach nur dumm war.
Welchen Ausgleich hast du, der dir gerade in besonders stressigen Zeiten weiterhilft?
In besonders stressigen Zeiten habe ich tats?chlich einfach keine Zeit f¨¹r einen Ausgleich. Da arbeite ich gef¨¹hlt rund um die Uhr - selbst beim Fernsehen gucken oder Gassigehen beantworte ich Nachrichten auf Social Media, checke E-Mails oder plane Beitr?ge etc. Auch im Bett gehe ich gedanklich oder am Handy durch, was ich morgen machen muss oder was ich nicht vergessen darf.
Meine einzige Ruhe-Oase sind lediglich die warmen, liebevollen und niedlichen Knopf?uglein meines Hundes Fridolin. Daraus sch?pfe ich sehr viel Kraft! Wenn es jedoch ? nur" stressig-stressig und nicht besonders-stressig ist, dann nutze ich selbst eine kleine kurze Mittagspause, um mit meinem ausgebauten Kombi in die Natur zu fahren. Dort gehe ich spazieren oder liege in meinem Kofferraum und lese ein Buch, w?hrend mein Hund derweil im Feld heruml?uft. Mein Auto ist mein Inbegriff von Freiheit und Alltagsflucht. Hier kann ich jederzeit aufbrechen und alles hinter mir lassen. Zumindest physisch, die Gedanken kommen nat¨¹rlich jedoch oft mit. (Gespr?ch von Oktober 2021 - Anne Timm)