Die Sozialarbeiter Zamin Zekiyev und Jamil Ahmadzada von Ubuntu beispielsweise leisten queere Sozialarbeit in einer ¨¹berwiegend queerfeindlichen Gesellschaft. Sie arbeiten zusammen mit Hochschuldozent*innen an einer praxisnahen Gestaltung des Curriculums f¨¹r Soziale Arbeit, um die Absolvent*innen auf die realen und vielf?ltigen Herausforderungen des Berufslebens vorzubereiten. Die Initiative setzt sich au?erdem aktiv f¨¹r die Verst?ndigung zwischen Armenier*innen und Aserbaidschaner*innen ein, ein heikles Thema, das von Seiten des Staates mit Landesverrat gleichgesetzt wird. Sie hilft zudem Veteranen des j¨¹ngsten Krieges um Berg Karabach bei der Verarbeitung ihrer Traumata ¨C auch hier entziehen sich staatliche Institutionen ihrer Verantwortung. 

Die Gr¨¹nderinnen des Gender Resource Center, Saadat Abdullazada und Aida Mirzayeva, stellten ihre Projekte zu sexueller Aufkl?rungsarbeit f¨¹r M?dchen im l?ndlichen Raum vor, die im Schulunterricht tabuisiert ist. Sie entwickeln zudem kindgerechte Materialien, die Genderstereotypen aufbrechen sollen. Das kreative Kollektiv von Var.yox argumentiert mit der Freiheit der Kunst, wenn es mit fotografischen und filmischen Mitteln gesellschaftliche Missst?nde deutlich sichtbar macht und kritisiert. Ayna versucht, Schutzr?ume f¨¹r von h?uslicher Gewalt betroffene Frauen und Kinder zu schaffen und Wege zu einem selbstbestimmten Leben zu ebnen. Und es gibt eine Art Berliner Tacheles in Baku! Salaam Cinema ist ein von K¨¹nstler*innen besetztes sehr bauf?lliges Haus im Zentrum der Stadt, in dem Ateliers, Werkst?tten, R?ume f¨¹r Bandproben, Ausstellungen und Filmvorf¨¹hrungen in liebevoller Eigeninitiative hergerichtet wurden. Die Zukunft des Hauses ist v?llig ungewiss, der Ort als Raum f¨¹r unzensierten Gedankenaustausch und leben lassen von unsch?tzbarem Wert.

Alle Aktivist*innen, mit denen wir sehr offene Gespr?che f¨¹hren durften, sind untereinander sehr gut vernetzt und unterst¨¹tzen sich gegenseitig. Sie berichten aber auch von einer hohen psychischen Belastung nicht nur aufgrund fehlender Selbstf¨¹rsorge, sondern auch wegen der st?ndig pr?senten Bedrohung durch Polizeigewalt und intolerante, aggressive Mitmenschen. Die zudem h?ufig prek?re finanzielle Situation und die fehlende Aussicht auf eine politische Zeitenwende lassen viele an eine Zukunft im Ausland nachdenken. F¨¹r die aserbaidschanischen Sozialarbeiter*innen waren die vielen Fragen der Studierenden eine seltene und sehr willkommene Gelegenheit, ihre Arbeit zu reflektieren und in einen Austausch ¨¹ber die Gegebenheiten Sozialer Arbeit in Deutschland zu treten. 

Gabriel Colero vom Reallabor Gender im Kaukasus fasste seine Eindr¨¹cke nach der Reise in folgende Worte: ?Ich bin sehr dankbar daf¨¹r, die Gelegenheit bekommen zu haben, Soziale Arbeit in Aserbaidschan kennenzulernen. Ich halte es f¨¹r eine sehr hilfreiche und notwendige Erg?nzung zu unserer theoretischen Vorarbeit im vergangenen Jahr. 
Die Treffen mit den unterschiedlichen aktivistischen Organisationen verdeutlichten mir anhand sehr herausfordernden Realit?ten den Wert und die Notwendigkeit eines rechtlichen Rahmens Sozialer Arbeit. Ohne staatliche Anerkennung, ohne Finanzierung von staatlicher Seite, viel mehr als Verfolgte und potentielle Straft?ter*innen arbeiten Sozialarbeitende und Aktivist*innen mehr oder weniger im Untergrund, um Menschenrechte zu sch¨¹tzen und zu bewahren. Unter diesen widrigen politischen und rechtlichen Bedingungen gibt es viele vulnerable Gruppen, die sozialarbeiterische Unterst¨¹tzung dringend brauchen, jedoch machen sich die professionellen Fachkr?fte damit angreifbar und gef?hrden ihre eigene Freiheit und Gesundheit. 
Dank der Gespr?che und den Eindr¨¹cken, die ich vor Ort sammeln konnte, wurde mir die Bedeutung des politischen Mandats in der Sozialen Arbeit deutlicher denn je zuvor. Die Arbeit der Initiativen, die sich mit Frauenrechten und den Rechten queerer Personen auseinandersetzen, beschr?nkte sich nicht auf soziale Arbeit, sondern war zwangsl?ufig auch eine Form des politischen Aktivismus. Ich denke, dies sollte auch soziale Arbeit in Deutschland immer wieder ber¨¹cksichtigen. Es war auf eine Art erfrischend und ermutigend, diese junge, revolution?re Generation Sozialarbeiter*innen kennenzulernen, welche gerade dabei ist, Soziale Arbeit als Profession in Aserbaidschan zu etablieren.¡° 
David Degener, der sich besonders f¨¹r das Thema queere Sozialarbeit interessierte, stellte fest: ?Es wurde deutlich, dass die Sichtbarkeit von queeren Personen schwer durchzusetzen ist und sich die Community eher an nur ihnen bekannten Orten trifft. Es gibt nur wenige Ressourcen und Unterst¨¹tzungsangebote speziell f¨¹r diese Gemeinschaft. Einige engagierte Einzelpersonen arbeiten jedoch daran, gesch¨¹tzte R?ume und Beratungsangebote zu schaffen, die es queeren Menschen erm?glichen, sich sicher zu f¨¹hlen und Unterst¨¹tzung zu finden.¡° Auch sei die Situation von Frauen in dem Land sehr komplex. ?Oft sind Frauen an traditionelle Geschlechterrollen und Stereotype angebunden. Ein paar soziale Projekte zur F?rderung von Empowerment und Bildung f¨¹r Frauen existieren, doch sie sto?en auf Widerst?nde und m¨¹ssen behutsam in die bestehenden Strukturen integriert werden.¡°

Wir sind dankbar f¨¹r den Erfahrungsaustausch mit unseren Kolleg*innen der Sozialarbeit und freuen uns auf k¨¹nftige Kooperationen.     
Besonderer Dank gilt dem Programm ?stliche Partnerschaft und Russland des Ausw?rtigen Amts f¨¹r die freundliche Unterst¨¹tzung des Projekts Gender im Kaukasus!

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