Aufarbeitung der gewaltf?rmigen Konstellation im Martinstift (Moers)
Das Forschungsprojekt zielte auf eine systematische Erhebung und Auswertung der Erfahrungen beteiligter Akteure*Akteurinnen hinsichtlich der Aufarbeitung der gewaltf?rmigen Konstellation im evangelischen Alumnat Martinstift in den 1950er Jahren.
Bergische Universit?t Wuppertal
Hintergrund und Erkenntnisinteresse des Forschungsprojekts
Im evangelischen Schülerheim Martinstift im niederrheinischen Moers wohnten in der ersten H?lfte der 1950er-Jahre etwa 70 Jungen im Alter von 10 bis 20 Jahren. Sie besuchten das nahe gelegene Gymnasium Adolfinum und sollten im Martinstift – fernab des Elternhauses – ein "von christlicher Hausordnung geregeltes Gemeinschaftsleben" führen. Erzieher:innen standen jedoch nur wenige zur Verfügung; die meisten waren zudem ohne eine entsprechende Qualifizierung. Manche setzten sich bei den Jugendlichen mit Gewalt durch.
Leiter des Schülerheims war seit 1952 der studierte Pharmazeut und Gymnasiallehrer Johannes Keubler. Das von ihm errichtete Gewaltregime aus brutalen k?rperlichen Strafen und sexuellem Missbrauch konnte er fast drei Jahre lang aufrechterhalten. In einem Prozess am Landgericht Kleve wurde er im Mai 1956 wegen "Misshandlungen und sittlichen Verfehlungen" an zahlreichen Schülern zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt.
Das Forschungsprojekt zielte auf die Aufarbeitungsgeschichte der gewaltf?rmigen Konstellation im Martinstift ab: Es zeichnet die Entwicklungslinie des kirchlichen Umgangs seit den 1950er-Jahren bis in die jüngste Vergangenheit nach und fragt, wie die heutigen Nachfolgeorganisationen mit der institutionellen Verantwortung für die Geschehnisse umgehen.
Ein weiteres Ziel der Untersuchung war es, aufzuzeigen, wie die Akteure*Akteurinnen mit der Gewalt im Martinstift nach ihrem Bekanntwerden umgingen. Wurden die betroffenen Kinder, Jugendlichen und ihre Eltern informiert? Welche Ma?nahmen wurden eingeleitet, um einen ?hnlichen Fall zu vermeiden? In welcher Art und Weise ist die Erinnerung an die damalige Gewaltkonstellation und an die damaligen Bewohner*innen gesichert?
Das Forschungsprojekt untersuchte dabei auch, welche Rahmenbedingungen die Etablierung und Aufrechterhaltung der gewaltf?rmigen Konstellation im Martinstift erm?glichten. Insbesondere stellt sich die Frage nach der institutionellen Einbettung des Schülerheims in die Strukturen und Eigenheiten der Inneren Mission (heute Diakonie) der evangelischen Kirche: Welche Verantwortung kamen der Tr?gerorganisation und den dortigen Führungspersonen zu – nicht zuletzt den Vorstandsmitgliedern Otto Ohl und Eduard Kaphahn, die zugleich hochrangige Vertreter des rheinischen Landesverbandes und des Central-Ausschusses für Innere Mission waren?
Kontakt
Projektleitung
Projektmitarbeiterin
Projektbeteiligte – Bergische Universit?t Wuppertal
- Projektleitung: Prof. Dr. Fabian Kessl
- Projektmitarbeiterin: Dr. Fruzsina Müller