Die Entscheidung

Ich wollte schon immer mal f¨¹r eine l?ngere Zeit in Frankreich leben, um die Sprache zu lernen und ein Gef¨¹hl f¨¹r das Leben vor Ort zu bekommen. 2019 bin ich zum ersten Mal nach Marseille gereist und war sehr begeistert von der Stadt und der Natur. Bei einer Wanderung in die Calanques habe ich das ?cole nationale sup¨¦rieure d¡¯architecture de Marseille und die Beaux-Arts entdeckt. Zum damaligen Zeitpunkt habe ich noch nicht Architektur studiert, aber dachte mir, falls ich es studiere, dass ich gerne dort ein Erasmus Semester machen w¨¹rde. Und wie der Zufall es wollte, ist es eine Partneruniversit?t der FH Potsdam. 

Ich habe mich auch direkt f¨¹r ein Jahr beworben, da ich sonst das Gef¨¹hl hatte, nicht genug Zeit zu haben, um mich darauf einzulassen und alles zu erleben, ohne Zeitdruck zu versp¨¹ren. Das war f¨¹r mich auch die richtige Entscheidung.

Die Vorbereitungen

F¨¹r mich war der Bewerbungsprozess sehr aufregend, da ich mich nur f¨¹r Marseille beworben hatte und wir lange auf eine R¨¹ckmeldung warten mussten. Dadurch hatte ich Angst, dass es nicht klappt, obwohl ich mich schon sehr darauf gefreut hatte. Au?erdem hatte ich auch Angst vor der Sprache, da ich zwar in der Schule Franz?sisch hatte, aber aus vorherigen Urlauben wusste, dass Schul-Franz?sisch und Umgangssprache sehr unterschiedlich sind. Deswegen habe ich zur Vorbereitung im Januar 2022 angefangen, in Berlin an Volkshochschulen verschiedene Sprachkurse zu belegen, vor allem um mich auf den Unterricht auf Franz?sisch vorzubereiten. Als ich die Zusage hatte, habe ich mich sehr gefreut. Ich bin dann mit dem Zug angereist, was sehr gut geht, da man nur einmal in Frankfurt umsteigen muss. Insgesamt dauert die Reise einen Tag, aber ist sehr sch?n und man kann sich gut auf den Wechsel der L?nder einlassen. Au?erdem bekommt man auch noch einen Reise-Zuschlag von Erasmus, wenn man nicht fliegt.

Die Unterkunft

Mit der Wohnungssuche habe ich so ca. 2 Monate vor meiner Reise angefangen, ¨¹ber verschiedene Internetseiten: Einmal ¨¹ber Facebook, aber f¨¹r Frankreich kann ich vor allem die Seiten Cartedecoloc und Leboncoin empfehlen. Ich habe meine erste WG dann ¨¹ber Leboncoin gefunden und konnte eine Online-Besichtigung machen. Ich fand es sehr schwer, online nach Wohnungen zu gucken und nicht vor Ort zu sein, da man so die Lage und Umgebung nicht wirklich einsch?tzen kann und man sich noch nicht in der Stadt auskennt. Was zu Beginn auch verwirrend war, ist, dass in Frankreich die Zimmer immer einzeln vermietet werden. Das hei?t, dass du immer direkten Kontakt mit dem Vermieter hast und dadurch selten wei?t, wer sonst noch in der Wohnung wohnt. Das war irritierend, aber hatte auch den Vorteil, dass eigentlich alle WG-Zimmer m?bliert sind, was f¨¹r mich nat¨¹rlich sehr gut war. Ein weiterer Vorteil ist, dass du in WGs eigentlich immer eine Art Wohnzimmer hast. Ich hatte f¨¹r die Wohnung, die ich damals, als ich noch in Berlin war, gefunden habe, einen Mietvertrag bis Februar abgeschlossen, weil ich mich noch nicht f¨¹r ein Jahr festlegen wollte, und dachte, dass man, sobald man vor Ort ist, die Situation besser einsch?tzen kann. Das war auch sehr gut, weil ich dann nochmal im Februar umgezogen bin in eine Wohnung, die viel ger?umiger war, mit einem gro?en Wohnzimmer und die auch von der Lage besser war. Meistens kann man seinen Mietvertrag auch einen Monat vorher k¨¹ndigen. 

Das Studium an der Hochschule

Es gab zu Beginn eine Einf¨¹hrungsveranstaltung, dort wurde einem vor allem die Uni gezeigt. Allgemein war jedoch die Kommunikation mit der Partner-Uni vor Beginn des Auslandssemesters aus Krankheitsgr¨¹nden im International Office sehr unorganisiert. Deswegen hat man sich nicht wirklich vorbereitet gef¨¹hlt. Die Uni hat fr¨¹her begonnen, als wir dachten, da die Uni in Frankreich immer im September beginnt und es zudem an der Architektur-Uni vorher immer noch eine ?semaine intensive¡° gibt. Ich habe im ersten Semester vor allem Kurse aus dem f¨¹nften Semester gew?hlt. Der Aufbau der Kurse ist ?hnlich wie in Potsdam, weshalb man sich gut einfinden konnte. Im ersten Semester habe ich sehr viele Kurse gew?hlt, was mich dann doch ein bisschen ¨¹berfordert hat, vor allem auf einer anderen Sprache. Meine Pr¨¹fungen waren alle in Form einer Pr?sentation oder einer Hausarbeit. Im zweiten Semester habe ich dann etwas weniger Kurse gew?hlt und mich vor allem wieder dem Entwerfen gewidmet. Ich habe auch ein paar Kurse aus dem vierten Semester gemacht, da meine Mitstudierenden aus dem sechsten Semester sonst prim?r Kurse f¨¹r ihre Bachelorarbeit hatten. Das Bachelorstudium dauert hier n?mlich nicht vier Jahre, sondern drei. Die Arbeitsatmosph?re war ?hnlich wie in Potsdam, wobei der gr??te Unterschied in den Themen lag, die mehr auf die mediterrane Region abgestimmt waren. Auch lag der Fokus mehr auf den Modellen und dem Grundriss an sich und weniger auf der Umgebung. Das war sehr interessant und ich bin dankbar f¨¹r die neue Perspektive. 

Alltag und Freizeit

Die Lebenshaltungskosten sind schon teurer als in Berlin, vor allem das Einkaufen in den Superm?rkten und Essengehen. Es gibt aber M?rkte, auf denen Gem¨¹se und frisches Essen billiger ist, wie zum Beispiel in Noailles. 

Die Miete ist ?hnlich wie in Deutschland: Zwischen 400 und 600 Euro findet man etwas. G¨¹nstiger sind nat¨¹rlich die Wohnheime, aber die sind auch oft in nicht allzu guten Zust?nden; kommt auf das Wohnheim an. 

Marseille ist eine sehr vielf?ltige Stadt und man kann viel unternehmen. Es gibt viele Secondhand-L?den, M?rkte, Bars und Kinos. Wenn einem die Stadt zu trubelig wird, kann man gut in die Natur und in den Calanques Wanderngehen (Calanque de Sugiton, Les Goudes, Ile de frioul), oder auch einfach ans Meer gehen und Schwimmen. Es gibt viele wundersch?ne Str?nde in der Stadt. Mein Lieblingsstrand ist bei Malmousque. 

Im Winter war ich auch ein paar mal surfen, da im Mittelmeer im Winter mit genug Wind auch gute Wellen entstehen, was ich vorher auch nicht wusste. Sonst habe ich ¨¹ber ein Kulturzentrum auch einen Boxkurs gemacht, wo es ein gro?es Angebot von Kursen auf Spendenbasis gibt (coco velten, friche belle de mai).

Fazit und Tipps

Mir hat mein Auslandsaufenthalt sehr gut gefallen und gef?llt mir auch im Nachhinein immer noch sehr gut. Ich habe mich sehr in die Stadt verliebt und kann jedem empfehlen, hier mit einer gewissen Offenheit f¨¹r Neues und neue Erfahrungen hinzukommen. Es gab nat¨¹rlich auch sehr viele Momente, die mich herausgefordert haben und Dinge, die anders sind als in der Heimat. F¨¹r diese Momente kann ich vor allem empfehlen, geduldig zu sein, da meist doch alles funktioniert und man nur etwas Zeit braucht. Au?erdem darf man, glaube ich, auch nicht zu hohe Erwartungen an sich selbst haben und Druck aufbauen. 

Ich w¨¹rde auf jeden Fall empfehlen, vorher Franz?sischkurse zu belegen, da die Sprachbarriere eines meiner gr??ten Probleme war. Aber man sollte sich auch nicht davon einsch¨¹chtern lassen. Denn sobald man probiert, die Sprache zu sprechen, reagieren die Menschen in Marseille offen, und es ist nicht schlimm, wenn man Fehler macht. 

Ich habe in diesem Jahr super viel gelernt: Eine weitere Sichtweise auf Architektur, Franz?sisch Basics, dar¨¹ber wie es ist, in einer anderen Stadt zu leben und sich einen neuen Freundeskreis aufzubauen, und ¨¹ber mich selbst: Was ich brauche, was nicht, wie ich mit Ungewohntem umgehe.

Ich kann einen l?ngeren Aufenthalt in Marseille nur empfehlen und auch, von dort aus Ausfl¨¹ge in den Rest Frankreichs zu machen, obwohl die Stadt selbst schon genug zu bieten hat!